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artline Kunstmagazin – Piotr Iwicki | INTERVIEW

 

Ist digital hergestellten oder bearbeiteten Bildern eigentlich überhaupt zu trauen oder spielt das in der künstlerischen Arbeit keine Rolle?

Das Misstrauen oder in Frage stellen, ist ein wichtiger Aspekt. Die Kunst misstraut und hinterfragt immer. Es ist ihre vornehmste Rolle. Und was die Täuschung betrifft, geben wir zu, dass wir auch gern getäuscht werden wollen. Wie wir wissen, wurden auch bei den alten Meisterwerken der Kunst durch Illusion und Täuschung starke Akzente gesetzt. Das macht die Kunst so spannend.

Ich glaube, thematisch sind alle Aussagen gleichwertig. Der Unterschied besteht allein darin, wie sie dargestellt sind und unter Umständen eine neue Art des Betrachtens manifestieren, indem man z.B. komplexe Zusammenhänge auf einen anderen Punkt bringt.

 

Vor zehn Jahren wurde noch das Ende des klassischen Tafelbildes, unter anderem wegen der neuen Medien, prognostiziert. Mittlerweile feiert es seine wiederholte Renaissance. Welche Rolle spielen in der Entwicklung der Bildenden Kunst die neuen Medien tatsächlich? Werden sie sie auf absehbare Zeit ablösen, oder wird das Nebeneinander die Regel sein?

Es ist meines Erachtens auf alle Fälle ein Nebeneinander notwendig, denn auf die Haptik einer Skulptur, auf die Fühlbarkeit einer Farbe, ihre Sättigung, ihren Auftrag wird man nicht verzichten können, weil dies Eigenschaften sind, die eine Differenz ergeben und sich von einer digitalen Lösung grundlegend unterscheiden. Der Computer ist nichts anderes als ein Werkzeug, das man nicht überschätzen sollte. Die Malerei wird nie zu Ende sein und auch das klassische Tafelbild wird uns noch eine lange Zeit erhalten bleiben. Auch meine computer-generierten Arbeiten sind letztlich nichts anderes als ein Bild auf einer Fläche.

 

Sie bleiben bisher mit Ihren Arbeiten auf der bildnerischen Ebene des Tafelbildes. Haben Sie schon einmal daran gedacht, auch Kunstvideos zu machen?

Gedacht habe ich schon daran. Das grundsätzliche Problem, das sich mir dabei stellt, ist nur: Was und wie kann ich Neues dazu beitragen? Wenn ich an die Arbeiten von Bruce Nauman denke, die ich einmal in Frankfurt gesehen habe, in denen er Prozesse der Verlangsamung auf das Medium Video übertragen hat – ein Medium, das ja eher das Gegenteil symbolisiert – war dieser Aspekt das eigentlich Schockierende oder Provozierende. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht alles machen kann, müsste ich mir bei meinem künstlerischen Selbstverständnis erst einmal solche konzeptuellen Überlegungen machen. Nicht zu vergessen die Kosten, die man dafür aufbringen muss, die schon bei meinen jetzigen, recht kostspieligen Digital­ausdrucken sehr hoch sind.

 

Welche Ausstellung hat Sie zuletzt am meisten beeindruckt?

Ich muss gestehen, dass ich mich manchmal auch von schlechten Ausstellungen inspirieren lasse; grundsätzlich versuche ich aber zu erfahren, was ich nicht mehr zu versuchen brauche. Ein guter Bekannter und Kunstkritiker, Dr. Thomas Wessel, sagte vor Jahren zu mir: „Versuche nicht, heute die Kunst der Gegenwart in Museen zu finden, suche sie im Schaufenster, im Kaufhof, auf der Straße.“ Hier kommt noch einmal die Aussage von Virilio zur Geltung. Ein schweizer Kunstkritiker schrieb einmal: „Kunst ist das, was Welt wird“, und das ist es, was ich bei einer Ausstellung suche.

Um auf die Frage zurückzukommen: Die Bruce Nauman-Ausstellung war auf alle Fälle die letzte Ausstellung, die mich am stärksten beeindruckt hat. Vor allem, weil er natürliche Phänomene in digitale Herstellungsprozesse verwandelt und so ein Fenster zwischen diesen beiden Ebenen offen lässt. Man weiß, dass das Wasser auf dem Monitor nicht echt ist, sondern eine Fiktion, aber Fiktion ist als Utopie gesehen auch eine Hoffnung auf etwas Besseres.

 

 

 

Das Interview führte Paul Klock für das Kunstportal artline.org / Freiburg 2005

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